Ich habe damals viel von ihm gelernt. Nicht in dem Sinne, dass ich als Abgeordneter Mannschaften nach einem verlorenen Spiel mit einem Kasten Bier aufzumuntern versuche. Es blieb bei diesem einen Spielbesuch. Ich bin eben doch kein Sportfan. Aber er lehrte mich, mit Hingabe und Freude den Wahlkreis zu beackern, mit Menschen die fröhlichen und traurigen Momente zu teilen. Wo er mit einer Flasche Bier anstieß und Trost zusprach, ist es bei mir die Umarmung. Sich niemals anbiedern, aber immer auf Augenhöhe die Begegnung suchen – das war seine Devise.
Wendelin Enders war ein Abgeordneter alter Schule. Basis seines politischen Erfolgs waren weniger Posten und Pöstchen im Bonner Parlamentsbetrieb sondern stets der Wahlkreis. Man tritt ihm sicher nicht zu nahe, wenn man ihn als einen konservativen Sozialdemokraten bezeichnet, einen Patrioten, dem radikales Gedankengut ein Gräuel war und der seine Heimatliebe gerne auch gesanglich unter Beweis stellte. 20 lange Jahre, von 1967 bis 1987, vertrat er unsere Heimat im Deutschen Bundestag. Er schien es stets genossen zu haben, vor allem an den Wochenenden den Wahlkreis zu bereisen. Keine Veranstaltung war ihm zu klein, kein Weg zu weit.
Und auch noch lange nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag war er in seinem alten 190er Mercedes unterwegs, bis weit ins hohe Alter. Meinen Einladungen folgte er stets gerne. Und seine handschriftlichen Grüße zum Geburtstag und anderen Anlässen sind Legende. Letztmals trafen wir uns anlässlich seines 95sten Geburtstags. Er feierte ihn mit Familien, Freunden und alten Wegbegleitern im AWO-Pflegeheim in Fulda. Auch wenn er an den Rollstuhl gebunden war, erinnere ich seinen hellwachen Geist. Er stellte mich wie so oft den Gästen als seinen politischen „Enkel“ vor. Dies empfinde ich nach wie vor als eine ganz besondere Auszeichnung. Nun ist Dr. Wendelin Enders, mein politischer Großvater, im gesegneten Alter gestorben. Deutschland, unsere Region und ich ganz persönlich schulden ihm großen Dank.