BAD HERSFELD. Am Samstag richtete sich der heimische Bundestagsabgeordnete Michael Roth per Grußwort an die Freundinnen und Freunde der Hersfelder Festspiele. Roth nahm dabei Stellung zur fristlosen Kündigung des Intendanten Holk Freytag durch den Magistrat der Stadt Bad Hersfeld.
Hier finden Sie den Wortlaut des Grußworts von Michael Roth, das bei der Kundgebung in der Hersfelder Innenstadt verlesen wurde:
Lieber Hersfelderinnen und Hersfelder,
liebe Freundinnen und Freunde der Festspiele,
Sie haben sich heute hier versammelt, um ein deutliches Zeichen zu setzen: Bad Hersfeld gehört seinen Bürgerinnen und Bürger. Sie zeigen Solidarität und übernehmen Verantwortung. Dafür danke ich Ihnen von Herzen! Mein Platz wäre heute hier mitten unter Ihnen. Aber in diesen Stunden vertrete ich unser Land bei einer Gedenkveranstaltung im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Wir verneigen uns am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma und erinnern an die Millionen Opfer des Holocaust.
Sie, liebe Freundinnen und Freunde, sind hier zusammengekommen, um ein Signal auszusenden. Sie tun das für viele Menschen im ganzen Land, die irritiert, ja entsetzt sind über das, was sich in unserer Festspielstadt abspielt. Wir erleben derzeit ein einzigartiges Trauerspiel. Die Festspiele sind doch viel mehr als ein Standort- und Wirtschaftsfaktor unter vielen. Der Wert der Festspiele bemisst sich nicht in Euros und Haushaltskennziffern. Die Festspiele sind in den Herzen der allermeisten Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt fest verankert. Wir identifizieren uns mit ihnen, wir freuen uns und wir leiden mit ihnen!
Die seit Monaten geführte Kontroverse über Geld und Zuschauerzahlen, dieses unwürdige Gezerre, die peinlichen Kabalen und Hiebe, haben vergessen lassen, worum es eigentlich gehen sollte: um Kultur, um Theater, um Inspiration, um gute Unterhaltung, um kreativen Austausch und den kritischen Dialog zwischen Künstlern und Publikum. Wer von Kulturschaffenden erwartet, dass sie kuschen, schweigen und vollstrecken, was Kleinkrämer erdacht und ersonnen haben, der versündigt sich an der Freiheit der Kunst, der versündigt sich an unseren Bad Hersfelder Festspielen! Sie waren, sind und bleiben ein Festival der Freiheit mitten in Deutschland, mitten in Europa.
Dass ich mich jetzt öffentlich und deutlich äußere, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass ich es so lange nicht gemacht habe. Möglicherweise war das ein Fehler. Wie viele andere auch habe ich hinter den Kulissen, vertraulich und diskret, zu vermitteln und zu versöhnen versucht. Ihnen allen dürfte aufgefallen sein, dass wir in diesem für die Festspiele so schwierigen Jahr besondere Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung erfahren haben: die Besuche von zwei Bundespräsidenten, von vielen Botschafterinnen und Botschaftern, aber auch die in ihrer symbolischen Bedeutung nicht zu unterschätzende Erhöhung der Bundesförderung.
Wie Sie und zahllose Freundinnen und Freunde der Festspiele, die wir in unserem Land, ja in ganz Europa an unserer Seite wissen, will ich es nicht beim Kopfschütteln und Fremdschämen belassen. Meine Solidarität gilt nicht nur den Festspielen, sondern auch Holk Freytag.
Wer diesem kreativen Geist fristlos kündigt, der handelt politisch unklug. Die bundesweit negativen Schlagzeilen beschädigen abermals die Stadt und das älteste Theaterfestival Deutschlands. Mit solch irrsinnigen Fehlentscheidungen gewinnt man weder neue Schirmherren noch neue Fördermittel, geschweige denn großzügige Sponsoren.
Wer diesem bundesweit anerkannten Kulturmacher fristlos kündigt, der handelt künstlerisch desaströs. Eine Stadt, die so mit einem erfolgreichen Intendanten umspringt, wird nicht attraktiver für die, die wir hier dringend brauchen: exzellente Schauspielerinnen und Schauspieler, kritische Geister und renommierte Theatermacher.
Wer diesem politischen Kopf fristlos kündigt, der verhält sich menschlich unanständig. Holk Freytag hat sich auf diese Stadt eingelassen wie nur wenige. Keine Veranstaltung war ihm zu klein, kein Ort zu fern, um uns alle teilhaben zu lassen an seiner Leidenschaft für die Bühne und die Ruine. Wer einen bundesweit derartigen Ruf genießt und auf eine solche Vita zurück zu blicken vermag, der MUSS nicht in Bad Hersfeld Theater machen. Dass Holk Freytag es dennoch und immer wieder tut, hoffentlich doch noch bis 2016, ist mein Wunsch und meine Hoffnung.
Glück auf, Bad Hersfeld!