

HERINGEN. "In Heringen müssen wir alle gesellschaftlichen Gruppen zusammenbringen. Da ist uns auch eine Katholikin im Martin-Luther-Haus herzlich willkommen", begrüßte Hausherr und Pfarrer Dr. Torsten Waap augenzwinkernd die Generalsekretärin Andrea Nahles. Bundestagsabgeordneter Michael Roth hatte seine Kollegin zu einem "Kaffeeklatsch" in seine Heimatstadt eingeladen und mehr als 100 Gäste folgten der kurzweiligen Unterhaltung bei Kaffee und Kuchen.
Zur Frage, was denn eine Generalsekretärin eigentlich sei, hatte sie eine Anekdote von SPD-Urgestein Egon Bahr parat: "Andrea, kannst Du denn dienen?", habe er sie nach ihrer Wahl gefragt, worauf sie geantwortet habe: "Ja, aber es fällt mir manchmal schwer." "Das ist beides gut: dass Du dienen kannst und dass es Dir schwer fällt," lautete Bahrs tiefsinnige Antwort. Aber dass ihr die Aufgabe als Leiterin des SPD-Bundestagswahlkampfs Spaß macht, merkt man der Frau aus der Eifel an. Sie freue sich trotz schwieriger Bedingungen auf die kommenden Monate, so Nahles: "Ich hoffe aber, dass auch bald wieder mehr über Politik diskutiert wird. Beispielsweise darüber, dass wir eine vernünftige Altersversorgung für Frauen brauchen, die in ihrem Leben Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen. Oder darüber, dass endlich der flächendeckende Mindestlohn kommen muss. Für über 300.000 Arbeitnehmer in unserem Land reicht das Geld nicht zum Leben, trotz Vollzeitbeschäftigung!"
Offen und freimütig erzählt Andrea Nahles an diesem Nachmittag über ihren schweren Verkehrsunfall, die Vorzüge des Landlebens in der Eifel oder auch die Schwierigkeiten, sich als Frau in der Männerdomäne Politik zu behaupten. Auch die Sozialdemokraten, die in ihrem Werdegang eine ganz besondere Rolle spielten, kamen zur Sprache. Über die große Enttäuschung Oskar Lafontaine, der sie zunächst gefördert, dann aber eine Spaltung der Arbeiterbewegung in Kauf genommen habe. Über Franz Müntefering, den sie trotz mancher Auseinandersetzung immer für einen guten Generalsekretär gehalten habe und über Sigmar Gabriel, mit dem sie sich politisch eng verbunden sieht. "Wir mussten uns aber auch erst zusammenraufen", so Nahles. Nur zu Angela Merkel will ihr an diesem Tag partout nicht viel Bewundernswertes einfallen, außer die sehr große Anzahl verschiedenfarbiger Blazer, wie die SPD-Generalsekretärin unter dem Gelächter der Anwesenden einräumt.